"Suche dringend! freies WG-Zimmer"
"Suche dringend! ab sofort ein freies WG-Zimmer"
Für Studenten bleibt der Wohnungsmarkt laut MLP-Report angespannt - Preise ziehen weiter an
Von Barbara Klauß
Wiesloch/Heidelberg. An den Laternenmasten flattern nun wieder bunte Blätter: Es wird Herbst und viele junge Leute suchen eine neue Bleibe. „Liebe Heidelberger:innen“, steht auf einem dieser Zettel, der in der Innenstadt an einem Pfosten hängt, „mein Name ist Lena, ich bin 19 Jahre alt und suche dringend! ab sofort ein freies WG-Zimmer oder eine 1-Zimmer-Wohnung“. Im Oktober will sie ein Studium an der Pädagogischen Hochschule beginnen.
Die Suche nach einer passenden und bezahlbaren Unterkunft wird sich nicht nur für Lena und nicht nur in Heidelberg schwierig gestalten. MLP-Chef Uwe Schroeder-Wildberg bezeichnete sie am Mittwoch als „Herausforderung“. Denn: Der Wohnungsmarkt ist nach wie vor sehr angespannt. Das geht aus dem „MLP Studentenwohnreport 2021“ hervor, der an diesem Tag vorgestellt wurde. Den Analysen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zufolge stiegen die Mietpreise für Studentenwohnungen in 19 von 30 untersuchten Hochschulstädten weiter an, im Schnitt um 1,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und das von einem bereits hohen Niveau aus, wie Studienautor Michael Voigtländer vom IW bei einer Pressekonferenz erklärte.
Am deutlichsten zogen die Preise demnach in Freiburg (+5,9 Prozent), Berlin (+5,4 Prozent) und Konstanz (+4,2 Prozent) an. In Heidelberg und Mannheim legten sie jeweils nur leicht zu. Spürbar günstiger wurde es in Stuttgart (-2,6 Prozent) und Karlsruhe (-1,4 Prozent).
Die Studienautoren führen das vor allem darauf zurück, dass es dort im Moment ein größeres Angebot an Wohnungen gibt. Auch, weil in der Corona-Krise viele junge Leute das Studium aufgeschoben haben. Billig aber ist das Wohnen für Studentinnen und Studenten in all diesen Städten nicht: Der teuerste Studienort bleibt laut Report München. Dort kostet eine „studentische Musterwohnung“ in Uninähe mit 30 Quadratmetern Fläche 802 Euro Miete, ein „Muster-WG-Zimmer“ mit 20 Quadratmetern 554 Euro im Monat. Es folgen Stuttgart (750 Euro; 440 Euro) und Köln (663 Euro; 398 Euro).
Die angehende PH-Studentin Lena muss in Heidelberg mit rund 500 Euro für eine Wohnung und 337 Euro für ein WG-Zimmer rechnen. Die Stadt landet damit im Mittelfeld (Platz 16 von 30). Würde sie ihren Wohnort nach Mannheim verlegen, müsste sie etwa 469 Euro im Monat für eine Wohnung aufbringen und 290 für ein WG-Zimmer.
Noch am günstigsten wohnen Studentinnen und Studenten nach wie vor im Osten Deutschlands. So kostet etwa in der – bei jungen Leuten immer beliebter werdenden – Stadt Leipzig eine typische Studentenwohnung nur 355 Euro im Monat, ein WG-Zimmer 215 Euro. Dass die Preise dort trotz der Beliebtheit der Stadt noch immer so relativ niedrig sind, führt Voigtländer darauf zurück, dass in Leipzig in der Zeit nach der Wende sehr viele Wohnungen leer standen und immer noch stehen. „Es gibt dort also ein größeres Angebot“, so der Immobilienexperte. Auch das werde allerdings mit der Zeit aufgebraucht, meint er – und die Mieten für Studentenwohnungen dann auch dort schneller steigen.
Zudem trägt auch die Corona-Krise nach Ansicht der Forscher dazu bei, dass die Preise für Studentenbuden in den Hochschulstädten generell anziehen werden: Viele, die ihr Studium wegen der Pandemie aufgeschoben haben, könnten nun in die Unistädte drängen, meinen die Autoren – und dort mit den mehr als 400 000 jungen Leuten, die in diesem Jahr Abitur gemacht haben, um die Wohnungen konkurrieren. „Zudem dürfte die wieder anlaufende Präsenzlehre dazu führen, dass viele Studierende, die bislang aus dem Elternhaus heraus studiert haben, in die Hochschulstädte ziehen möchten“, sagte MLP-Chef Schroeder-Wildberg. „Für Erstsemester ohne Netzwerk wird es dann nochmals schwieriger, eine Bleibe zu finden, die in ihr begrenztes Budget passt.“
Wie die Politik den Studenten helfen müsste
Von Barbara Klauß
Wiesloch/Köln. Für junge Leute, die ein Studium aufnehmen möchten, ist es dem aktuellen „MLP Studentenwohnreport
2021“ zufolge eine Herausforderung, in einer der deutschen Hochschulstädte eine angemessene und bezahlbare Wohnung oder ein WG-Zimmer zu finden. „Es wird höchste Zeit, für mehr bezahlbaren Wohnraum für die Studierenden zu sorgen“, erklärte MLP-Chef Uwe Schroeder-Wildberg am Mittwoch bei der Vorstellung des Reports. „Dafür muss die Politik nun dringen einen Rahmen setzen.“
Die Autoren des Reports vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln kommen zu dem Schluss, dass hierfür „mehr Wohnungsbau und mehr finanzielle Unterstützung für Studierende essenziell“ seien. „Die Parteien haben die Studierenden allerdings nicht im Fokus“, wie IW-Immobilienexperte Michael Voigtländersagte. Und das, obwohl die rund drei Millionen Studentinnen und Studenten in Deutschland einen nicht unerheblichen Anteil der Stimmen bei der Bundestagswahl am Sonntag zu vergeben hätten.
Für den Report hat das arbeitgebernahe Wirtschaftsforschungsinstitut daher die Wahlprogramme der Parteien, die eine realistische Chance auf eine Regierungsbeteiligung haben, daraufhin untersucht, inwieweit sie sich um die Probleme der angehenden Akademiker kümmern.
Mit Blick auf die finanzielle Situation legen demnach alle Parteien Ideen vor, wie das BAföG (die staatliche Unterstützung für Studenten) angepasst werden könnte. Aus Sicht des IW ist das auch notwendig. Denn, wie die Forscher vorrechnen, können sich Studentinnen und Studenten für den derzeitigen BAföG-Wohnzuschlag von maximal 325 Euro lediglich in einer einzigen Stadt eine typische Studentenwohnung mit 30 Quadratmetern in direkter Umgebung der Hochschule leisten: in Magdeburg. In der für Studierende teuersten Stadt München bekommen sie dafür gerade einmal eine Wohnung mit 16 Quadratmetern.
Unter den Parteien besteht laut IW größte Einigkeit darin, den Kreis der BAföG-Empfänger zu erweitern und elternunabhängiger zu gestalten. Außerdem sollen die Altersgrenzen flexibilisiert werden. Bei der Höhe bleiben die meisten Parteien dem Report zufolge jedoch vage. CDU und SPD möchten daran Voigtländer zufolge nichts ändern, Bündnis 90/ Die Grünen planen eine Grundsicherung für Studierende, die Linke eine Erhöhung des BAföG auf 1200 Euro. Der FDP schwebt ein zinsloses Darlehen vor.
„Das ist alles kein so großer Wurf“, meint Voigtländer. Vor allem vermisse er bei allen Parteien außer den Grünen eine Differenzierung mit Blick auf den Standort: „Es müsste eingerechnet werden, dass Studierende in manchen Hochschulstädten für ein WG-Zimmer doppelt so viel zahlen müssen wie in anderen.“
Gleichzeitig möchten Grüne, SPD und Linke den Mietwohnungsmarkt stärker regulieren, um so für günstigere Mieten zu sorgen. „Die Erfahrungen mit dem in Berlin bereits ausprobierten Mietendeckel zeigen aber, dass ein solcher Ansatz nicht funktioniert“, so Voigtländer. Am Ende habe er dazu geführt, dass der Markt für Mietwohnungen massiv eingebrochen sei.
Vor dem Beschluss seien gut 3000 Mietwohnungen in Berlin inseriert gewesen, danach noch gut 1500. „Damit ist natürlich auch keinem Studierenden auf Wohnungssuche geholfen“, sagte Voigtländer. CDU/CSU und FDP setzen ihm zufolge vor allem auf die Ausweitung des Wohnungsbaus. Doch insgesamt fehle es auch hier „leider an weitreichenden Konzepten.“
Insgesamt schenkten die Parteien den Bedürfnissen und Nöten der Studierenden am Wohnungsmarkt viel zu wenig Beachtung. Und das, obwohl das Land gerade jetzt – angesichts gewaltiger Herausforderungen etwa aufgrund der Klimakatastrophe oder der Digitalisierung – mehr denn je darauf angewiesen sei, das große studentische Potenzial auszuschöpfen, wie der MLP-Chef hinzu fügte. „Wir brauchen ihre Kreativität und ihre Innovationskraft. Sie gehören mit ihrer Situation viel deutlicher in den Fokus.“
Kommentar
Ausgebremst
Barbara Klauß zur schwierigen Situation von Studenten
Es gibt eine Gruppe von Menschen, die in den zurückliegenden eineinhalb Jahren auf besondere Art gelitten hat: Jugendliche und junge Erwachsene.
Durch die Corona-Pandemie wurden sie beim Start in ihr eigenes Leben brutal ausgebremst. Viele schoben aus Unsicherheit Ausbildung oder Studium auf. Andere begannen damit allein vor dem Computer – womöglich
vom heimischen Kinderzimmer aus.
Auch finanziell hat diese Generation massiv verloren: Ihre Jobs waren die ersten, die in den Lockdowns gestrichen wurden. Aushilfs-Kellner oder Barkeeper benötigten die geschlossenen Restaurants und Kneipen schlicht nicht. Viele wurden rausgeschmissen, anderen die Arbeitszeit reduziert.
Nun droht den jungen Leuten, die kaum noch ein finanzielles Polster haben dürften, ein weiteres Problem, für das sie nichts können: Strömen jetzt wieder mehr junge Leute in die großen und spannenden Städte, werden die ohnehin schon teuren Wohnungen noch teurer werden.
Eine Katastrophe ist das vor allem für diejenigen, die nicht mal eben ihre Eltern um finanzielle Unterstützung bitten können. Für sie wird es noch schwieriger auszuziehen, studieren zu gehen. Ein Land, das ernsthaft auch denen, die nicht aus wohlhabenden Familien stammen, die gleichen
Aufstiegschancen gewähren will, kann das nicht hinnehmen.
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