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Schmerzfrei

Barbara Klauß über den Umgang mit dem
weiblichen Zyklus, unangebrachte Scham und Tabus in der Arbeitswelt

Unzählige Frauen schleppen sich regelmäßig zur Arbeit – obwohl sie eigentlich nicht arbeitsfähig sind. Starke Blutungen, Unterleibskrämpfe, Übelkeit, Erbrechen,  Kopfschmerzen – darunter leiden Studien zufolge rund 90 Prozent der Frauen im gebärfähigen Alter, wenn sie ihre Tage haben. Rund 30 Prozent empfinden die Schmerzen als besonders stark. Hinzu kommen Stimmungsschwankungen oder Rückenschmerzen.

Symptome, mit denen sich viele Arbeitnehmer auf der Stelle krank melden würden. Nicht so, wenn sie wegen der Periode auftreten. 

Spanien will das nun ändern: Dort sollen sich Frauen, die unter Regelschmerzen leiden,   einfach krank melden können. Das Gehalt übernimmt ab dem ersten Tag der Staat. Das Vorhaben hat auch in Deutschland eine hitzige Debatte ausgelöst.

Auch hierzulande haben Menstruierende das Recht, sich wegen starker Regelbeschwerden krankschreiben zu lassen. Doch viele tun sich damit schwer. Zum einen, weil die Periode nun mal keine Krankheit ist, sondern die regelmäßig wiederkehrende Norm. Mädchen lernen früh, mit ihrem Zyklus zu leben. Oft wird ihnen vermittelt, sie hätten die Begleiterscheinungen möglichst klaglos zu ertragen.

Zum anderen schrecken viele davor zurück, sich regelmäßig,  nämlich etwa ein Mal im Monat, arbeitsunfähig zu melden  – ohne dafür "triftige" Gründe nennen zu können.  Das kommt nicht nur schlecht an bei Kollegen und Vorgesetzten. Manche Juristen meinen sogar, Frauen riskierten dadurch im schlimmsten Fall eine Kündigung, aufgrund häufiger  Kurzerkrankungen.

Hinzu kommen gesellschaftliche Phänomene: das fehlende Problem-Bewusstsein und die merkwürdige Überhöhung des Natürlichen. Kann denn etwas das alltägliche Leben tatsächlich beeinträchtigen, das von der Natur so vorgesehen ist und der Arterhaltung dient? Oh ja! Es kann! Und sehr viele Frauen können leidvolle Geschichten davon erzählen. Und muss man dieses Leid nicht gar mit Stolz ertragen, weil es neues Leben ermöglicht? Wie absurd. Auf gar keinen Fall!

Dieses stille Ertragen aber ist bis heute die Regel. Meldet sich jemand bei seinem Chef ab, weil er unter Brech-Durchfall leidet, wird das nicht als anstößig empfunden.  Antworten aber Frauen auf die Frage, wie es ihnen geht, mit dem Satz: „Nicht gut, ich habe heftige Regelschmerzen“, blickt das Gegenüber bestenfalls betreten zu Boden. Schlimmstenfalls kommen anzügliche Bemerkungen oder schmierige Witze.

Die Periode ist noch immer ein absolutes Tabu-Thema, für  viele Menschen besetzt mit Ekel und Scham. Nachvollziehen kann man das nicht – gehört sie doch zur Normalität eines riesigen Teils der Menschheit.

Bei allen Einwänden, die man dagegen finden mag, Frauen explizit wegen ihrer Periode zusätzliche freie Tage zu gewähren – das ist der wichtigste Punkt, der dafür spricht: die Hoffnung auf Enttabuisierung.  Je mehr Frauen regelmäßig offen erklären, weshalb sie für ein, zwei Tage ausfallen, desto normaler wird es.

Wäre es selbstverständlich möglich, morgens beim Chef anzurufen und zu sagen: „Ich kann heute nicht, ich habe starke  Regelschmerzen“, müssten sich weniger Frauen Monat für Monat vollgepumpt mit Schmerzmitteln durch lange Arbeitstage quälen. Einfach mal schmerzfrei. Das wäre doch schön.